strandfilm

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Rose und Veil
UNRECHT UND WIDERSTAND
Dokumentarfilm von Peter Nestler, D 2021, 113 Min.
Eine Koproduktion von strandfilm, Frankfurt und Navigator Film, Wien
In Zusammenarbeit mit ZDF-3sat
Erstausstrahlung: Montag, 25. Juli 2022, 22.25 Uhr

Der Film handelt von verschiedenen Formen des Widerstands deutscher Sinti und Roma über acht Jahrzehnte hinweg. Es geht um Auflehnung gegen Unrecht und um das Beharren auf Würde und Gerechtigkeit. Eine Erzählung vom Mut und der Entschlossenheit Einzelner, die sich verzweifelt wehrten. Und die leidvolle Geschichte einer Minderheit zwischen Trauma und Selbstbehauptung, die sich als beispielloses Unrecht durch die gesamte Nachkriegszeit bis in unsere Gegenwart zieht. Der Porajmos, der Genozid an der Minderheit, wurde erst 1982 offiziell anerkannt.
Der Film beschreibt den langen Weg aus der Rechtlosigkeit und Diskriminierung in die Bürgerrechtsbewegung.
Im Zentrum steht Romani Rose, seine Familie, Mitstreiterinnen und Mitstreiter. 13 nahe Verwandte der Roses wurden in den Lagern umgebracht. Romani Roses Vater Oskar war während der Nazizeit untergetaucht und wurde von der Gestapo gesucht. Über sein mutiges Handeln berichtet der Film. Darüber, wie er versuchte, im April 1943 beim Münchner Kardinal Faulhaber um Schutz für die Verfolgten zu bitten und wie es ihm gelang seinen Bruder aus dem KZ-Neckarelz zu befreien.
Für Roma und Sinti, die den Völkermord überlebt hatten, waren Ausgrenzung, Armut und behördliche Schikanen Alltag. Der Porajmos, der Genozid an der Minderheit, wurde erst 1982 offiziell anerkannt. Der Film beschreibt den langen Weg aus der Rechtlosigkeit und Diskriminierung in die Bürgerrechtsbewegung.
Deren unermüdliches Engagement zeugt von Zivilcourage und Bürgersinn, vom entschiedenen Eintreten für das Miteinander diverser Kulturen und von zukunftsweisendem Demokratieverständnis. Gibt es in Zeiten zunehmender Ausgrenzung und rassistischer Gewalt Wichtigeres?

Director's Statement
zu den Filmen "Unrecht und Widerstand" und "Der offene Blick": "In den Sechzigerjahren habe ich von diesem ständigen Unrecht erfahren, wurde darauf aufmerksam gemacht, vor allem durch die Werke des Malers Otto Pankok, den ich 1965 kennenlernte, und durch die soziale Arbeit von Birgitta Wolf, durch die Schriften von Hermann Langbein, der im Auschwitzprozess einer der Hauptzeugen war. Ich erfuhr von der ununterbrochenen Diskriminierung der Minderheit in Deutschland und Österreich, in der sich alles um den Wiederaufbau drehte, um wirtschaftlichen Aufstieg. Die Kriegsverbrechen wurden ad acta gelegt, und die viele Täter, einstige SS-Angehörige und Kriminalpolizisten, wie auch die 'Rassehygieneforscher', kehrten in ihre Ämter und Positionen zurück, betrieben jahrzehntelang weitere Diskriminierung und Ausgrenzung der Sinti und Roma. 1970 machte ich den Film 'Zigeuner sein', der Menschen der Minderheit zu Wort kommen ließ. Die neuen Filme, 'Unrecht und Widerstand' und 'Der offene Blick', sind eine umfangreiche Bestandsaufnahme aus der Gegenwartsperspektive mit Beiträgen von Menschen der Minderheit, den Nachkommen der Überlebenden, den Historikern, die sich mit dem tief verwurzelten Antiziganismus befassen (sich engagieren!), mit Poeten, Musikern, Fotografen und Filmemachern, Journalisten. Was hat sich geändert, ist besser geworden seit den Nachkriegsjahren, und was droht, schlecht zu bleiben? Das sind die Bausteine der Filme, die wir, das Team zusammengesetzt haben. Das und nichts anderes."
Peter Nestler
Auschwitz-Birkenau Zigeunerfamilienlager
Begründung der Jury
Die Notwendigkeit, das Leid der Sinti und Roma vor und nach 1945 endlich in umfassender und angemessener Weise zu erzählen, ergibt sich nicht nur aus dem unfassbaren und schrecklichen Geschehen selbst, sondern auch aus dem erstaunlichen und nur schwer zu begreifenden Umstand heraus, dass dies bisher noch nicht geschehen ist. Schon allein damit leistet der Film einen wichtigen und instruktiven Beitrag zur Chronik bundesdeutscher Geschichte, füllt eine nicht zu akzeptierende Leerstelle und trägt zu aktuellen geschichtswissenschaftlichen Debatten bei.
Nicht ganz verwundern mag hingehen, dass es Peter Nestler war oder vielleicht auch sein musste, der einen solchen Film endlich realisiert hat. Nestler, einer der bedeutendsten Dokumentarfilmer Deutschlands und – leider auch immer noch – einer der unbekannteren, galt immer als ein unbequemer Filmemacher mit klarer politischer Haltung, aber auch als einer, der mit genauem, unaufdringlichem und offenem Blick Menschen, Landschaften, Abläufe und Dinge betrachtet.
Schaut man Nestlers Werk von 1962 bis heute an, so scheint Geschichte immer eine der treibenden Kräfte gewesen zu sein, Welt und Wirklichkeit filmisch zu begegnen, darunter auch die Geschichte von Ausgrenzung, Marginalisierung und Verfolgung, Unterdrückung und Ermordung von Minderheiten. So ist es nicht das erste Mal, dass sich Nestler mit dem Themenkomplex befasst. Bereits 1970 realisierte er zusammen mit seiner Frau Zsóka Nestler für das schwedische Fernsehen – der als linkslastig geltende Nestler war aufgrund fehlender Arbeitsmöglichkeiten in der BRD nach Schweden migriert – mit „Zigeuner sein“ einen Film über die Verfolgung der Sinti und Roma im „Dritten Reich“ und die Diskriminierung danach. Einige der aufschlussreichen Gespräche mit Überlebenden, denen Nestler viel Zeit und Raum gibt, ihre Erinnerungen – auch mit ihrer unmittelbaren emotionalen Wirkung – zu erzählen, montiert er auch in seinen neuen Film mit ein. Da sich Zugewandtheit, Haltung und Gesprächsführung Nestlers seit jener Zeit kaum geändert zu haben scheinen, wirken sie weniger wie dokumentarische Archivalien als vielmehr gleichberechtigt neben den Ausführungen von Romani Rose.
Diese Geschichte hätte längst erzählt werden müssen. Ist die Anerkennung des Porajmos als Genozid aus „rassischen“ Gründen durch die unermüdliche Arbeit von Romani Rose und den vielen Mitstreiter:innen mittlerweile erreicht, scheint das Bewusstsein über eine bis in ihre Strukturen hinein rassistische Gesellschaft, wie sie für die ersten Jahrzehnte der Bundesrepublik zu verzeichnen ist, noch immer getrübt. Durch seine Tiefenbohrungen in Geschichte und Gesellschaft hinein schärft Nestler dieses Bewusstsein, ermöglicht es mitunter sogar erst. In Zeiten stärker werdender Xenophobie und wachsendem Antisemitismus und Antiziganismus wichtiger denn je.
DER OFFENE BLICK
Künstlerinnen und Künstler der Sinti und Roma
Dokumentarfilm von Peter Nestler, D 2021, 101 Min.
Erstausstrahlung: Montag, 25. Juli 2022, 0.25 Uhr

Gitta Martl und ihre Tochter Nicole Sevik lesen kurze Texte. Sie gedenken darin der Sinti und Roma im oberösterreichischen „Zigeuneranhaltelager“ Weyer. Außer einer Reihe von 32 Farbdias ist von diesen Menschen nichts geblieben. Dr. Alois Staufer hatte sie Frühjahr 1941 fotografiert. Die Abgebildeten wurden ein halbes Jahr später nach Polen deportiert und ermordet. Der Schriftsteller Ludwig Laher hat in mühevoller, beinahe zwanzigjähriger Recherche die Lebenswege von Opfern und Tätern minutiös rekonstruiert.
Ceija Stojka war eine österreichische Schriftstellerin, Malerin, Sängerin, Aktivistin und Überlebende der nationalsozialistischen Konzentrationslager Auschwitz, Ravensbrück und Bergen-Belsen. Ihre Bilder werden weltweit in Museen und Galerien ausgestellt und sind auf der diesjährigen documenta fifteen zu sehen. Ceija Stojka schuf eigene Ausdrucksformen, formte Erinnerung und Traumata zu einem malerischen Oratorium gegen das Vergessen.
Die Filmemacherin Karin Berger begleitete das Schaffen Ceija Stojka’s als Freundin und Mentorin während zweieinhalb Jahrzehnten. Sie erinnert an die außergewöhnliche Frau, auch in ihren beiden Dokumentarfilmen „Ceija Stojka - Porträt einer Romní“ (1999), und „Unter den Brettern hellgrünes Gras“ (2005).
Der junge Schriftsteller und Roma-Aktivist Samuel Mago sagt, „für meine Generation ist Ceija Stojka ein wahnsinnig großes Vorbild“.
Lita Cabellut verbrachte ihre Kindheit in prekären Verhältnissen im spanischen Aragon. Als Zwölfjährige wurde sie von einer katalanischen Adelsfamilie adoptiert, übersiedelte 1980 in die Niederlande, studierte an der Gerrit Rietveld Academy in Amsterdam und lebt seither in Den Haag. Als Malerin bedient sie sich einer neuzeitlichen Fresko-Technik, besorgte Opern-Ausstattung und Kostüme, wie „Karl V.“ in der der Bayerischen Staatsoper. Sie erzählt von ihrer Arbeit als Art Director an einem Film von Carmen Chaplin über den vermuteten Roma-Hintergrund ihres weltberühmten Großvaters.
In den letzten Jahren hat sich für Künstlerinnen und Künstler aus der Minderheit im Zeichen kultureller Selbstbehauptung einiges zum Positiven gewendet. So bietet beispielsweise die Galerie und Stiftung „Kai Dikhas“ unter Leitung von Moritz Pankok mit über hundert Ausstellungen ein kontinuierliches Forum.
Die Roma und Sinti Philharmoniker versammeln Musiker aus ganz Europa zu Konzerten. Darunter spektakuläre Erstaufführungen, wie das „Requiem für Auschwitz“ von Roger Moreno-Rathgeb. Unter der Leitung von Riccardo M Sahiti konzertierte das Philharmonieorchester mit der Performerin Iva Bittová, dem Cymbalisten László Rácz und dem Violinenvirtuosen Roby Lakatos, im Herbst 2021 beim Morgenlandfestival in Osnabrück.
Jovan Nikolić erzählt in poetischen Kurzgeschichten von seiner Kindheit in einer jugoslawischen Musikerfamilie. „Die Träne“ ist eine tragikomische Miniatur über die Trauerfeier für seinen toten Vaters, dem man ein letztes Mal das Saxophon an die Lippen legt.  
Die Künstlerinnen und Künstler der Minderheit bedienen sich verschiedenster Ausdrucksformen und Mittel, doch allen gemeinsam ist der offene Blick.

Fremde Kinder: Mit der Musik groß werden
Dokumentarfilm von Peter Nestler, Deutschland 2003
Dienstag, 26.07.2022, 2.35 Uhr bzw. 3sat Mediathek
Das zwölf Jahre alte Roma-Mädchen Brigitta und ihre zwei Jahre jüngere Schwester Tünde spielen seit ihrem fünften Lebensjahr Geige - wie schon Vater und Großvater. Der Beitrag zur Reihe "Fremde Kinder" war der dritte Film nach "Flucht" (2000) und "Die Verwandlung des guten Nachbarn" (2001), den der renommierte Dokumentarist Peter Nestler für 3sat realisierte. Brigitta und Tünde Máko leben mit ihren Eltern und zwei älteren Schwestern im VI. Bezirk von Budapest. Der Großvater hatte das Talent der beiden Mädchen entdeckt und sie anfangs unterrichtet. Heute besuchen Brigitta und Tünde eine Musikschule in Budapest, in der neben den allgemeinen Fächern auch Einzelunterricht an Musikinstrumenten erteilt wird.

Konzert der ROMA UND SINTI PHILHARMONIKER
Sonntag, 24.07.2022, 22.25 Uhr bzw. 3sat Mediathek
Veranstaltung des Morgenland Festival Osnabrück, November 2021
Ausgewählte Kompositionen:
Roger Moreno-Rathgeb: Gypsy Rhapsody Nr. 1 Op. 15
Sergeij Rachmaninow: Capriccio Bohémien ("auf Roma-Themen")
George Enescu: Rumänische Rhapsodie Nr. 1 A-Dur für Orchester
Lol’i Ruža – Traditional Roma Song (Iva Bittová, Roby Lakatos, Balogh Jozsef, László Rácz, Richard Vasko)
Leitung der Philharmoniker: Riccardo M Sahiti


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